Hans Clausecker ist einer der ersten Fahrer in der 1973 von Herbert Linge gegründeten ONS-Rennstreckensicherung. In 15 Jahren erlebt das Porsche Urgestein zahlreiche tragische Momente, ist aber auch mittendrin im Renngeschehen und lernt viel über Kameradschaft, Rennerei und legendäre Rennstrecken.
Nürburgring, 1. August 1976 – ein Datum, das Hans Clausecker in seinem Leben wohl nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Genauso wenig wie die Bilder, die der frühere Porsche Mitarbeiter noch immer mit diesem Renntag in der Eifel verbindet. Es sind Erinnerungen, die sich in sein Gedächtnis eingebrannt haben: Zwischen Breidscheid und Bergwerk verliert Niki Lauda auf der Strecke die Kontrolle über seinen Formel-1-Ferrari. Der Bolide kracht erst in die Felsen und dann in die Leitplanken.
Als Laudas Rennwagen in Flammen aufgeht, sitzt Hans Clausecker in seinem ONS-R-Wagen – einem Sicherungsfahrzeug, ausgestattet mit Halon-Löschanlage und einem Arzt an Bord. Und er steht genau vor der Ausfahrt Breidscheid. Durch sein Funkgerät hallt es hektisch: „Unfall, Unfall – Hans, komm ganz schnell, komm ganz schnell!“ Glücklicherweise erkennt er direkt die Stimme seines Kollegen Karl Schmidt. Der sitzt in der Böschung oberhalb der Unfallstelle mit dem Funkgerät ONS 25. Clausecker weiß, wohin er muss, fährt mit seinem 911 Carrera RSR 2.8 sofort los – bei einem noch laufenden Rennen keine ungefährliche Angelegenheit. Als er ankommt, winkt Hans-Joachim Stuck bereits alle nachfolgenden Rennkollegen ab. Hans Clausecker muss mit seinem Sicherungswagen nun im Zickzack durch die abgestellten Formel-1-Wagen durch. Die Zeit rennt. „Als ich auf den brennenden Rennwagen zufuhr, saß der Lauda noch drin, nach vorne gebeugt, ohne Helm“, sagt der 80-jährige Clausecker heute, fast 45 Jahre nach dem tragischen Unfall. Ein tragisches Bild, das er nicht mehr vergisst.
Die Streckenposten versuchen verzweifelt, gegen das Flammenmeer anzukämpfen. Den Rennfahrern Arturo Merzario und Brett Lunger gelingt es schließlich, Lauda aus dem Inferno zu ziehen. „Das war eine ganz brutale Hitze vor Ort“, sagt Clausecker. Die Fahrer konnten den Flammen wegen ihrer schwer entflammbaren Rennanzüge trotzen, zumindest einigermaßen. „Ich habe sofort angefangen, mit unserer Löschanlage das Fahrzeug zu löschen. Mein Rennarzt kümmerte sich um die Erstversorgung von Lauda“, berichtet Clausecker.
Die legendäre Staffel der ONS-Rennstreckensicherung: Vorne in der Mitte Herbert Linge, in der hintersten Reihe rechts Hans Clausecker vor einem VW Variant.
Im unteren Bild rechts stehen Hans Clausecker (mitte) und Herbert Linge (rechts) am Nürburgring zusammen zur Lagebesprechung.
Nur Sekunden lagen zwischen Laudas Unfall und Clauseckers Ankunft, einige Minuten später schickte der ONS-Mann den Rettungswagen entgegen der Rennrichtung über Breidscheid in Richtung Krankenhaus Adenau. Dass der Österreicher Lauda am Ende überlebte und schon ein Jahr nach dem Unfall wieder Weltmeister wurde, verdankt er wohl auch Herbert Linge – dem Gründer der 1973 ins Leben gerufenen ONS-Staffel und neben Clausecker an diesem Tag im August 1976 einer der beiden R-Wagen-Fahrer beim Formel-1-Rennen am Nürburgring. „Immer, wenn ich an den Tag zurückdenke, kommt mir in den Sinn, dass Herbert Linge damals hellseherische Fähigkeiten gehabt haben musste“, erklärt Clausecker. Denn eben Linge hatte entschieden, einen Funkposten mit einem Funkgerät an die Position ONS 25 zu setzen. Also genau oberhalb der Unfallstelle. „Der Linge hat den Karl Schmidt dort alleine positioniert. Der Arme saß also die ganzen Tage dort oben auf seiner Position ONS 25 allein im Wald und war stinksauer. Aber es hat sich ausgezahlt.“
Als alles vorbei gewesen sei, habe er noch Helm und Handschuhe vom dreimaligen Weltmeister Niki Lauda (1975, 1977, 1984) bei Ferrari an der Box abgegeben, erzählt Clausecker und man spürt: Die tragischen Szenen vom Nürburgring 1976 setzen ihm noch immer etwas zu. Nun zeigt der frühere Porsche Monteur uns ein Bild, das am Samstagmittag nach dem Training aufgenommen wurde – also vor dem Rennen. Ein historisches Bild mit großer Bedeutung: „Hier stehen wir in der Boxengasse zusammen: Lauda, Linge, mein Rennarzt und ich. Lauda wollte von Herbert Linge wissen, was wir alles gemacht haben, wie viele ONS-Fahrzeuge an der Strecke stehen.“ Laudas Kritik: Man hätte am Nürburgring nicht über alle Streckenabschnitte die nötige Einsicht und noch immer gäbe es Funklöcher an der langen Nordschleife. „Vielleicht war das der Grund für Linge, genau dort oben zusätzlich einen Funkposten hinzusetzen“, mutmaßt Clausecker. „Linge wusste immer, was er tat.“ Vor allem hatte sich Linges Konzept der ONS-Rennstreckensicherung bewährt: Streckenposten mit Handlöschern und entlang der Strecke positionierte S-Fahrzeuge dämmen die Feuersituation ein, die schnellen R-Wagen fahren die erste gefährliche Runde mit und stehen anschließend mit laufendem Motor an Start/Ziel und auf halber Strecke. So können die R-Wagen innerhalb von Sekunden jede Stelle einer Rennstrecke erreichen.
Eine historische Aufnahme kurz vor dem tragischen Unglück: Niki Lauda diskutiert vor dem Rennen mit Herbert Linge die Sicherheitsmaßnahmen am Nürburgring.
Hans Clausecker (rechts, mit dem Gesicht nach Vorne) wird kurze Zeit später mit seinem ONS-Elfer der erste Einsatzwagen vor Ort sein.
Im Mai 1973 kam Porsche Versuchs- und Erprobungsfahrer Hans Clausecker zur ONS-Rennstreckensicherung. Die Sicherungsstaffel ist das große Lebenswerk von Herbert Linge, legendärer Porsche Rennfahrer und damaliger Betriebsleiter der Versuchsabteilung in Weissach. Schon zu lange störte er sich an den Sicherheitslücken im Rennbetrieb. Zu viele Rennfahrer fanden den Tod in den Flammen, weil die Strecken-Marshals nicht rechtzeitig vor Ort oder schlecht ausgestattet waren. Seine Vision: eine rasende Feuerwehr, die in 30 Sekunden an jedem beliebigen Abschnitt einer Rennstrecke sein konnte.
Anfangs hatte Linge die Einsatzfahrzeuge noch selbst ausgestattet, daheim in der eigenen Werkstatt. Auch der erste R-Wagen, ein Porsche 914-6 GT, entstand in Linges Weissacher Privatgarage. Das Fahrzeug war ursprünglich bei der Rallye Monte Carlo im Einsatz. Herbert Linge baute den Sportwagen mit Genehmigung von Porsche in Eigenregie zum ONS-Fahrzeug um. Die Firma Recaro und Shell steigen als Sponsoren ein und unterstützen so Linges Plan.
Im April 1973 erfolgte dann die offizielle Gründung der ONS-Rennstreckensicherung. Bei der Gründung mit dabei: Georg Bellof, Vater des später verunglückten Rennfahrers Stefan Bellof. Die R- und S-Wagen wurden auf dem gerade bezogenen Versuchsgelände in Weissach stationiert. „Wir Weissacher Kollegen haben dann immer unter der Woche die Fahrzeuge frisch aufgetankt, gewaschen und kleinere Sachen kontrolliert oder fehlende Teile ersetzt – meistens dienstags“, erinnert sich Clausecker. „Das hat man damals einfach nach Feierabend gemacht.“ Und natürlich wollten die Kollegen aus dem Weissacher Versuch auch in der Staffel fahren. „Das hat uns interessiert, und so fragten wir bei Linge an, ob wir da nicht vielleicht auf die S-Wagen könnten.“
In der ersten Zeit fuhr man als S-Wagen unter anderem noch den VW Typ 311 Variant. „Die waren natürlich hoffnungslos untermotorisiert und wurden später durch stärkere Fahrzeuge ersetzt“, erinnert sich Clausecker an die ersten Renneinsätze. Dann stiegen die deutschen Autohersteller in das ONS-Konzept ein. „Das war ein bunter Haufen: VW, BMW, Audi, Porsche und Mercedes-Benz. Sogar ein Alfa Romeo und ein Datsun war dabei; alles Exoten.“ Porsche stellt die zwei einzigen Sportwagen: den legendären 914-6 GT und einen renntauglichen 911 Carrera RSR 2.8. Die beiden Porsche wurden natürlich als R-Wagen eingesetzt, da sie als einzige in der Lage waren, hinter dem Starterfeld herzukommen. „Später haben wir in Weissach dann noch einen 911 Turbo aufgebaut, es folgten danach die 928er, die ja deutlich mehr Platz für die Anlagen hatten.“
Die frühen Fahrzeuge der ONS-Rennstreckensicherung: der grüne 911 Turbo, der rote Carrera RSR 2.8 mit dem Clausecker bei Laudas Unfall im Einsatz war und der erste ONS-Wagen, der von Herbert Linge umgerüstete und von Hans Clausecker heute noch gefahrene 914-6 GT.
Im Mai 1973 fährt Clausecker seinen ersten ONS-Einsatz am Hockenheimring – auf einem S-Wagen. Zwei Wochen später folgt der nächste Einsatz am Nürburgring. „Unsere ONS-Gruppe Süd hat damals die ONS-Gruppe West am Nürburgring unterstützt.“ Clausecker komplettiert mit seinen Weissacher Kollegen die S-Wagen und bringt als R-Wagen den 914-6 GT mit. „Ich hatte den Auftrag, den GT zum Nürburgring zu fahren. Den hätte dort damals der Rennfahrer Michel Weber fahren sollen. Ich habe den also abgestellt und bin rüber auf die S-Wagen, so wie das vorgesehen war.“ Doch dann kommt ein Funkspruch von Linge: Clausecker soll wieder zurück ins Fahrerlager kommen. „Der Michel Weber kommt nicht, Clausecker – Sie fahren den R-Wagen“, verkündet Einsatzleiter Linge. „Trauen Sie sich das zu, das Auto zu fahren?“, fragte er ihn noch. Gut, genügend Nürburgring-Erfahrung hatte Clausecker als Versuchsfahrer, fuhr Tausende von Kilometern bei Dauererprobungen auf dem Ring, kannte ihn wie seine Westentasche. „Ja freilich trau’ ich mir das zu, Herr Linge“, antwortete Clausecker und griff beherzt zu, als sich die Chance ergab. „Und so bin ich bei meinem zweiten Einsatz schon in den R-Wagen gekommen und fuhr von da an in der Regel immer zusammen mit Linge die R-Wagen“, erinnert sich Clausecker an den Start einer langjährigen Entdeckungsreise in die Rennsportwelt.
An sein Debüt kann er sich noch gut erinnern. „Natürlich war man nervös“, sagt Clausecker. „Die Rennstrecke kannte ich ja, aber alles andere war neu.“ Für die Starts hatte er sich einen Trick zurechtgelegt: „Also wir waren ja wirklich schwer. Unser R-Wagen hatte ja allein 90 Kilo Halon in Stahlflaschen dabei, dazu Beifahrer, Hydraulik-Scheren, Spreizer und Arztkoffer. Und wenn man dann von Null, also aus dem Stand losfährt, dann geht das unglaublich auf die Kupplung – und hinterher kommst du auch nicht.“ Deswegen stand Clausecker immer mit großem Abstand hinter dem Starterfeld. „Man sieht aus der Ferne die Anzeigetafel: 30, 20, 10 Sekunden und dann gehen die Lampen auf Rot. Und dann bin ich hinten angerollt.“ Bis die Ampeln vorne auf Grün gingen, war Clausecker direkt hinter dem Feld und hatte seine Geschwindigkeit.
„Wir mussten so dicht wie möglich hinter dem Feld bleiben und so schnell wie möglich auf der Position sein, bevor die ersten von hinten wieder ankamen.“ Also galt: Fahren, was das Material hergab. „Da gab es keine Schonung“, wundert sich Clausecker heute noch über die wagemutigen Runden im schwer beladenen ONS-914er. „Ich habe oft gedacht, wenn wir am Nürburgring ab Kallenhard die Strecke bergab in Richtung Breidscheid durch die Kurven sind, also wenn da mal was am Auto wegen der hohen Zuladung bricht …?“
An den Rennwochenenden waren Clausecker und sein ONS-Arzt von der ersten Minute an und auf der Strecke. Schon vor den Trainings mussten die S-Wagen an ihren Positionen sein und die R-Wagen hatten die Aufgabe, die Strecke zu kontrollieren. „Da waren wir dann schon sehr flott unterwegs, da konnte man ja nicht trödeln“, erzählt er mit einem Lächeln im Gesicht. „Man war ja in einem engen Zeitkorsett und hatte nur begrenzt Zeit. Das war natürlich genau das, was uns am meisten Spaß gemacht hat – und man hatte die Strecke für sich alleine.“ In die Rennstrecken hat man sich laut Clausecker einfach eingearbeitet. „Le Mans kannte ich nicht. Also bin ich zum Jürgen Barth und hab‘ gesagt: ,Jürgen, fahr’ mit mir mal ein paar Runden.‘ Man muss ja wissen, wo es langgeht.“
Nachdenklich wird Clausecker, wenn es um die tragischen Momente des Einsatzes geht. Seine Stimme senkt sich dann, man spürt und hört es. Fühlbar Luft holen muss der sonst so gesprächige Franke da. „Man war ja leider nicht immer nur wegen Blechschäden vor Ort. Leider gab es auch schwere Fälle, bei denen wir dabei waren. Und da war es wichtig, den richtigen Arzt an Bord zu haben. Mein Arzt war oft der Dr. Axel Mann. Der hat es geliebt schnell zu fahren und wir konnten uns 100 Prozent aufeinander verlassen“, sagt Clausecker. „Wenn du da am Samstag zum ersten Training an die Rennstrecke kamst, dann musstest du nichts erklären – und das war beruhigend. Dr. Mann sagte immer, wenn was ist, dann bleibst du an meiner Seite. Und wenn ich was benötige, dann reichst du es mir. Da musste man starke Nerven haben.“ Teilweise lief das Rennen weiter oder war zumindest noch nicht abgewunken. „Natürlich haben wir unsere Autos immer so abgestellt, dass wir abgesichert waren. Aber auch ONS-Leute starben, weil sie von Rennfahrzeugen erwischt und tödlich verletzt wurden.“
Kontakt mit dem Tod hatte Clausecker oft. „In der Fuchsröhre am Nürburgring haben wir mal einen Formel-3-Fahrer aus der Böschung unten im Wald wieder auf die Strecke hochtragen müssen. In Saarlouis ist einer unter die Leitplanke, einer fuhr am Hockenheimring in die Mauer. Es hat einige dramatische Situationen gegeben.“ Aber auch im R-Wagen fuhr das Risiko ständig mit. Beim Bergrennen auf dem Schauinsland war sein ONS-Arzt so mit dem Funkgerät beschäftigt, dass er vergaß, die Strecke anzusagen. „Und plötzlich schrie er, brems doch!‘“ Clausecker war zu schnell, die Kurvenfolge zu eng. „Vor der Kurve gab es einen Notausgang und den habe ich auch gebraucht. Das wäre nicht gut ausgegangen.“
Stolz ist er, in all den 15 Jahren ONS-Staffel keinen Kratzer und keine Beschädigung an den Fahrzeugen verursacht zu haben. „Überhaupt, in meiner ganzen Porsche Laufbahn, 46 Jahre mit unzähligen Kilometern, gab es keinen einzigen Unfall, keinen Blechschaden.“ Eine saubere Bilanz.
Nach dem 914-6 GT, dem 911 Carrera RSR 2.8 und dem 911 Turbo präparierte das Team in Weissach zwei Porsche 928. Sie boten vor allem deutlich mehr Platz für die Ausstattung.
Bei Porsche begonnen hat Clausecker im April 1959. Im Versuch, im legendären Zuffenhausener „Käfig“. Dort wickelten einige wenige Mitarbeiter in der Regel VW-Aufträge ab, zwischendurch machten Clausecker und Co. aber auch die Porsche Entwicklungen mit. In der Hauptsache waren die Leute, die zu Linge in die ONS-Staffel gingen, Mitarbeiter vom Fahrwerk- und Prototypenbau und aus diesem Bereich: Porsche Mitarbeiter, die schnell Autofahren konnten, in ihrem Berufsalltag Dauererprobungen gefahren sind und die Fahrzeuge an ihr Limit bringen konnten. Oder die privat ihre Rennleidenschaft pflegten, so wie Clausecker, der Anfang der 60er Jahre auf einem NSU Prinz Automobilturniere und Rallyes in Baden-Württemberg und in Bayern fuhr.
Beruflich baut Clausecker die ersten Mulettos für den neuen 911, den 914, 924 und 928 und fährt die Vorab-Erprobungen der Motor- und Fahrwerksaggregate. Im Jahr, als er zur ONS stößt, fährt er den VW-Auftrag EA266 – bei Porsche intern 1866 und 1966 genannt und mit einem liegenden Unterflurmotor versehen – auf dem Nürburgring im Dauertest. Für Ferdinand Piëch und Ferry Porsche baut er die zwei einzigen 914-Achtzylinder auf (zum Artikel).
Später ist er zusammen mit Kollege Günter Steckkönig für die Reifenerprobung bei Porsche zuständig, baut zusammen mit Steckkönig einen 928 zum Rennfahrzeug um und fährt den „928-TRIGEMA“ auf dem Nürburgring. In den folgenden Jahren gibt Clausecker sein Wissen bei Fahrtrainings und Clubveranstaltungen unter anderem im Team Strähle Motorsport weiter. Mit der Porsche Sportfahrschule ist er dann 15 Jahre neben seinem Job als Testfahrer auch als Instrukteur in Europa unterwegs.
Als Fahrer des R-Fahrzeuges erlebte Clausecker die heiße Phase des Rennsports. Er fuhr alles: vom kleinen Bergrennen im Nordschwarzwald, bei Eichstätt oder Schauinsland, über Motorradrennen und Weltmeisterschaftsläufe am Nürburgring, in Holland, Österreich, Frankreich, bis zur Formel 1 und zur Le Mans-Serie. „Meine erste ONS-Saison war 1973 und die letzte 1987, also volle 15 Jahre.“ Aufgehört hat er, weil die Familie darunter litt. Er war schließlich fast jedes Wochenende unterwegs. Einmal saß er an 24 Wochenenden im R-Wagen. „Am Anfang will man überall dabei sein, aber man schraubt das irgendwann einmal zurück.“ Unter der Woche arbeiten und an den Wochenenden ONS-Fahren ist eine Doppelbelastung. Später reduzierte er die Einsätze auf 15 Rennen im Jahr.
Seine Lieblingsstrecke ist aber der Nürburgring mit der Nordschleife geblieben. „Es gibt keine schönere und abwechslungsreichere Rennstrecke: Bergauf, bergab, überhöhte Kurven, hängende Kurven – eine ständige Herausforderung.“ Ja, Hans Clausecker schwärmt. „Keine Sekunde kannst du da mal seitlich rausschauen, dann bist du schon abgelenkt.“ Ein Kollege hatte einmal im Brünnchen einen Unfall und das Auto lag auf der Leitplanke. Seine Entschuldigung: Er habe gerade mal 80 km/h auf dem Tacho gehabt. „Darauf fragte ich meinen Kollegen Günter Steckkönig: Sag mal, hattest du an der Stelle jemals schon die Zeit gehabt auf den Tacho zu schauen?“, berichtet Clausecker. „Der antwortete: „Noch nie. Ich weiß gar nicht, wie schnell ich da bin.“ Will heißen: In einigen Kurven auf dem Nürburgring ist einmal auf den Tacho zu schauen und wieder hoch schon zu viel. „Das verzeiht dir der Ring nicht.“
Die Zeit in der ONS-Staffel möchte der Franke nicht missen. „Man war so nah am Renngeschehen. Wir hatten Zugang zu allen Bereichen. Fahrerlager oder Boxengassen, ich durfte überall fotografieren. Ich habe rein aus beruflichem Interesse viele Aufnahmen von der Fahrwerkstechnik gemacht, die Fahrzeuge standen ja vor den Boxen aufgebockt und ohne Karosse herum. Ich habe auch viele Aufnahmen von den Fahrern, die saßen in der Mittagspause oft auf den Boxenmauern. Man kannte viele Fahrer persönlich: Stuck, Maas, Bellof, Winkelhock, Ludwig und viele andere.“
Was aber auch zur Belastung werden konnte: Nämlich dann, wenn man jemanden auf der Strecke verlor, den man gut kannte. Clausecker erinnerte sich an Markus Höttinger, der am Hockenheimring tödlich verunglückte und bei dem Clausecker und sein Arzt Axel Mann als Erste an der Unfallstelle waren. „Das geht einem dann ganz schön nahe. Wenn du jemanden verlierst, mit dem du dich richtig gut verstanden hast und du nichts mehr machen kannst.“ Auch beim schweren Unfall von Didier Pironi in Hockenheim waren Clausecker und Mann als Erste zur Stelle. Hart im Nehmen musste man schon sein. „Ja, das konnte ich.“ Viele Unfälle musste er nicht nur hautnah erleben, sondern auch aus nächster Nähe beobachten, wie sie passierten. „Das sind Dinge, die vergisst man nie.“
Was hat ihn so lange bei der Stange gehalten? „Die Kameradschaft“, antwortet Clausecker. „Die Arbeit war spannend und motorsportbegeistert waren wir ja alle. Wir saßen oft abends zusammen. Eigentlich war es immer eine zusammengewürfelte Mannschaft, aber mit was für einem großartigen Zusammenhalt! Tolle Erlebnisse, flotte Sprüche, stundenlang konnten wir lachen. Vor allem aber waren wir ganz, ganz vorne mit dabei. Wir waren mittendrin im Renngeschehen.“
Den 914-6 GT der ONS-Rennstreckensicherung, den Clausecker bei seinem ersten Einsatz auf einem R-Wagen und noch viele Rennen später fuhr, landete im Laufe der Jahre zunächst bei privaten Sammlern und später beim Sänger Jay Kay der englischen Gruppe Jamiroquai. Zudem wurde er vom ONS-Fahrzeug in seine ursprüngliche Version als Monte-Carlo-Fahrzeug umgebaut. 2014 erwarb der ehemalige ONS-Sponsor Recaro das Fahrzeug und baute es wieder zurück. „Linge und ich sind zu den Restauratoren gefahren und hatten detaillierte Bilder des Fahrzeugs dabei, damit sie nachvollziehen konnten, wie das Fahrzeug als ONS-Fahrzeug ausgestattet war.“
2016 und 2018 fährt Clausecker den Recaro-ONS-914er beim Rossfeld-Bergrennen. 2019 startet Clausecker mit dem Fahrzeug auch beim Solitude Revival. Höhepunkt der Veranstaltung: der Herbert-Linge-Gedächtnislauf. „Da hatte ich plötzlich spontan eine Idee: Weißt du, Herbert, was wir machen? Wir beide starten mit dem ONS-914 bei deinem Linge-Gedächtnislauf.“ Nach kurzer Absprache mit dem Veranstalter, Porsche und Recaro ging es los. „Erst fuhren wir hinter dem Feld, aber die waren mir zu langsam. Und dann sag‘ ich zu Linge: ,Herbert wir fahren ein bisschen schneller.‘ Und dann sind wir an etlichen vorbei, das Auto ging richtig gut. Herbert Linge hat mit den Tränen gekämpft, denn die Zuschauer, die Streckenposten, alle haben gewunken und Standing Ovations gegeben.“ Eine Ehrerbietung vor Herbert Linge und seinem ONS-Lebenswerk. Und was für ein Bild: Herbert Linge, der Gründer der ONS-Rennstreckensicherung, mit seinem langjährigen Fahrer – beide zusammen 170 Jahre alt - in „ihrem“ knapp 50 Jahre alten 914er GT. „Wir beide haben es nochmal so richtig laufen lassen“, freut sich Clausecker. „Und dann sagte Linge zu mir am Schluss: ,Mensch, Clausecker, du gibst aber noch kräftig Gas.‘“ 46 Jahre, nachdem Linge ihn gefragt hatte: Clausecker, trauen Sie sich das zu? „Ja, freilich.“